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Bist du eine christliche Hexe? Dann willkommen im Zirkel

  • Autorenbild: Nicole
    Nicole
  • vor 1 Tag
  • 4 Min. Lesezeit

Mit Allerseelen — auch bekannt als All Saints’ Day — gerade hinter uns, kam mir ein interessanter Gedanke. An dieser Jahreszeit, wenn sich der Schleier zwischen den Welten während Samhain (Halloween oder All Hallows’ Eve) lichtet, wird die Aufmerksamkeit auf das Zusammenspiel von Alt und Neu, Heidnisch und Christlich gelenkt. Es ist ein liminaler Raum — ein Moment, um über Zyklen, Ahnen und die heiligen Geheimnisse nachzudenken, die sowohl im Schatten als auch im Licht wohnen.


Dabei fiel mir auf: Viele glauben, dass Christentum und Hexerei nicht nebeneinander existieren können. Dass man sich für einen Weg entscheiden und den anderen ablehnen müsse. Für diejenigen von uns, die als christliche Hexen gehen, war diese Dichotomie jedoch immer eine falsche Wahl. Du kannst Heilige ehren und Kerzen zu Maria anzünden und gleichzeitig einen Kreis bei Neumond ziehen. Beides kann im selben spirituellen Leben existieren — so wie es seit Generationen der Fall ist.


Spiritualiät war noch nie eine gerade Linie. Sie ist ein gewebtes Tuch, aus Fäden von Glaube, Intuition, Ahnen und gelebter Erfahrung. Und wenn dein Gewebe sowohl Kreuze als auch Kerzen, Psalmen und Sigillen enthält — das ist keine Verwirrung. Das ist Kohärenz. Ein lebendiger Dialog zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, dem Heiligen und dem Selbst.


Für einige von uns hat dieser Dialog schon immer sowohl Christentum als auch Hexerei umfasst. Christliche Hexen sind kein neues Phänomen. Wir waren schon da — haben still Gebet und Zauberei, Rosenkränze und Mondrituale, Schrift und Kerzenlicht über Generationen hinweg verbunden. Neu ist hingegen das zunehmende Stimmengewirr, das darauf besteht, dass Spiritualität eine Entweder-oder-Wahl sein müsse. Dass man nicht mit Jesus gehen und gleichzeitig mit Kräutern arbeiten könne. Dass Kirche und Kreis nicht dieselbe Seele teilen könnten.

Aber hier ist die Wahrheit: Sie haben es schon immer getan.

Lange bevor Labels Gläubige und Hexen trennten, praktizierten christliche Mystiker:innen, Heiler:innen und Weise bereits beides — beteten zu Gott, während sie den Kranken Segen zuflüsterten, riefen Heilige an und achteten zugleich auf die Geister des Landes. Die Grenze zwischen „Wunder“ und „Magie“ war nie so klar, wie die Geschichte es darstellen wollte. Beides entspringt demselben tiefen Verlangen: das Göttliche zu berühren, aktiv an der Schöpfung teilzunehmen, statt nur Zeuge zu sein.


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Die alpine Kunst, Glauben und Folklore zu verbinden

Ein paar Beispiele aus meiner Heimat: In den Schweizer Alpen existieren Christentum und ältere, erdverbundene Praktiken seit Jahrhunderten nebeneinander — manchmal in Spannung, oft in Harmonie. Viele lokale Traditionen zeugen noch heute von diesem schönen Zwischenraum:


  • Chalandamarz (am 1. März in Graubünden gefeiert): Dorfbewohner:innen, vor allem Kinder, läuten Glocken und knallen Peitschen, um Wintergeister zu vertreiben und den Frühling willkommen zu heissen. Offiziell mit dem christlichen Kalender verbunden, wurzelt es doch in heidnischen Fruchtbarkeits- und Reinigungsriten.


  • Klausjagen in Küssnacht (am Vorabend des Nikolaustages): Ein Umzug durch die Strassen mit Fackeln, Hörnern und riesigen Papiermitren. Heute dem Nikolaus zugeordnet, stammen die Riten aus älteren Traditionen zum Vertreiben von Dunkelheit und zur Einleitung von Erneuerung.


  • Betruf, der alpine Gebetsruf, noch in Teilen der Zentralschweiz praktiziert: Bei Dämmerung stehen Hirten auf den Weiden und sprechen Segensworte zu Gott, Maria und den Heiligen, um Vieh und Menschen zu schützen — und rufen gleichzeitig die Berge, Winde und Geister des Landes an. Christliche Andacht und animistisches Naturbewusstsein verschmelzen hier auf wunderbare Weise.


Nicht zu vergessen die Traditionen rund um Weihnachten und Ostern, viele stammen aus vorchristlicher Zeit und wurden in eine christliche Weltsicht integriert. Diese Traditionen zeigen: Die Verbindung spiritueller Wege ist kein Akt der Rebellion — sie ist Erbe. Unsere Ahnen zogen keine harten Grenzen zwischen dem Heiligen und dem Magischen. Sie lebten nahe an der Erde, und ihr Glaube spiegelte diese Intimität mit Leben, Wetter und Geist wider.


Warum fürchten Menschen duale Glaubenswege?

Aus psychologischer Sicht streben Menschen nach Sicherheit und klaren Kategorien — besonders beim Glauben. Religion gibt Struktur und Zugehörigkeit; alles, was diese Grenzen verwischt — etwa ein persönlicher spiritueller Weg — kann sowohl Identität als auch Autorität bedrohen.


Historisch versuchten Institutionen, komplexe menschliche Erfahrungen in klare Hierarchien zu vereinfachen: heilig vs. ketzerisch, sakral vs. profan. Doch so funktioniert die Seele nicht. Spiritualität ist fliessend — und wenn sie wirklich frei von Dogma und Machtstreben ist, entwickelt sie sich mit uns.

Wenn wir einen dualen oder gemischten Weg beschreiten, tun wir etwas psychologisch Integratives. Wir erkennen an, dass Glaube und Intuition, Vernunft und Ritual, Struktur und Freiheit nebeneinander existieren können. Diese Integration ist tatsächlich gesund. Sie erlaubt es uns, in Tradition verwurzelt zu bleiben und gleichzeitig das moderne Leben anzupassen — etwas, das unsere Nerven und Psyche dringend brauchen.


In einer oft geteilten, fragmentierten und entfremdeten Welt ist die Fähigkeit, mehrere Wahrheiten gleichzeitig zu halten, eine Form spiritueller Resilienz.


Du brauchst niemandes Erlaubnis, um dazuzugehören

Es wird immer Stimmen geben — aus Kirche und okkulten Kreisen — die sagen: Du kannst nicht beides sein. Du musst dich entscheiden. Doch genau diese Stimmen fürchten Nuancen. Sie fürchten Freiheit.

Die Schönheit moderner Hexerei liegt in der Autonomie — im Recht, den eigenen spirituellen Weg zu definieren. Du brauchst keine Zustimmung von Institutionen, um dich mit dem Göttlichen zu verbinden. Du musst dich nicht zwischen Gebet und Zauberei entscheiden. Du darfst das Heilige in beiden finden.

Jetzt wird es manchmal knifflig, denn wir alle wollen dazugehören, nicht wahr? Und auf deinem eigenen spirituellen Weg zu gehen, kann sich manchmal einsam anfühlen. Doch das stimmt nicht. Wir sind alle verbunden — auch auf unterschiedlichen Wegen.


An alle christlichen Hexen da draussen — diejenigen, die Gott im Sonnenaufgang und Magie in den Psalmen finden: Willkommen im Coven. Ihr gehört hierher.


Ihr brecht keine Grenzen. Ihr steht in einer Linie der Verbindung — von Bergtälern und mondbeschienenen Kapellen bis zu den Kreuzungen der modernen Welt. Denn echte Magie geschieht, wenn wir aufhören, anderen zu erlauben, zu diktieren, wie wir uns mit dem Göttlichen verbinden — und beginnen, auf den heiligen Funken in uns selbst zu hören.


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Hinweis der Autorin

Wenn ihr schon länger „The Urban Mystic“ lest, seid ihr sicherlich auch auf Artikel gestossen, die die christliche Institution hinterfragen oder kritisieren. Ein wichtiger Punkt: Wenn ich kritisch über das Christentum schreibe, hinterfrage ich die Institution, nicht den Glauben selbst. Meine Reflexion richtet sich gegen Matchstrukturen, die über Jahrhunderte Angst, Schuld und Hierarchie eingesetzt haben, um Gläubige zu kontrollieren und ihre spirituelle Autonomie zu unterdrücken. Meine Worte sind also nie ein Aufbegehren gegen den Glauben — sie sind eine Rückeroberung desselben. Was ich ablehne, sind die auf Angst basierenden Systeme, die uns lehrten, unser Licht im Namen des Gehorsams zu dimmen.

Kommentare


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Hallo, danke fürs Vorbeischauen!

Ich bin Nicole – urban aus Überzeugung, mystisch von Natur aus. Ich liebe schwarze Katzen, guten Chai oder Matcha und Gespräche, die spät am Abend anfangen und mit plötzlichen Erleuchtungen enden. Irgendwo zwischen Excel-Tabellen und Zauberkarten habe ich meine Berufung gefunden: Menschen zu helfen, das Chaos, die Magie und selbst die Montage zu verstehen.

Dies hier ist mein Kessel – ein Ort, an dem modernes Leben auf moderne Mystik trifft, gewürzt mit Neugier, einer Prise Rebellion und einer ordentlichen Portion Herz. Mach es dir gemütlich, gönn dir etwas Warmes zu trinken, und lass uns gemeinsam entdecken, welche Magie sich in unserem Alltag versteckt.

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