Das heidnische Herz von Weihnachten: Was wir in dieser Zeit wirklich feiern — und warum es nicht Jesus ist
- Nicole

- 29. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Weihnachten ist eines dieser Feste, bei denen viele so tun, als wäre die Geschichte klar — dabei ist sie alles andere als das. Unter Lichterketten, Tannenduft und kitschigen Werbespots liegt ein viel älteres Narrativ, eines, das schon gefeiert wurde, lange bevor irgendjemand in Europa von Bethlehem gehört hat. Und je tiefer man in die Geschichte eintaucht, desto offensichtlicher wird: Dieses Fest war schon heilig, bevor es christlich wurde.
Ich sage das nicht, um irgendwem seine Tradition zu nehmen, denn jede Tradition hat ihre Berechtigung. Ganz im Gegenteil. Für mich ist es eher ein kleines Wunder, dass die Wurzeln dieses Festes trotz Jahrhunderten religiöser Überlagerung überlebt haben — heimlich, hartnäckig und wunderschön.
Ich liebe, dass wir heute noch ein Fest feiern, das im Kern ein heidnischer Liebesbrief an das Licht ist.
An Hoffnung. An den Moment, in dem die längste Nacht bricht und die Welt symbolisch wieder zu atmen beginnt. Und genau darüber möchte ich heute sprechen: Nicht darüber, dass Weihnachten gefeiert wird — sondern was wir da eigentlich feiern, ohne es zu wissen.

Ein uraltes Licht-Fest
Rund um die Wintersonnenwende haben fast alle alten Kulturen die Rückkehr des Lichts gefeiert. Für die Germanen war Jul ein Fest der Götter und Ahnen, bei dem Feuer und Kerzen die längste Nacht erhellten und ungewollte Geister vertrieben wurden, während die wohlgesinnten Geister willkommen geheissen wurden. Die Römer feierten Saturnalia – eine ausgelassene Zeit der Geschenke, Umkehrung sozialer Rollen und des Überflusses, um den Winter zu überstehen und die Sonne willkommen zu heissen.
Die Kelten ehrten die Wiederkehr des Lichts als Alban Arthan, das „Licht des Bären“: ein Symbol für Stärke, Erneuerung und die Kraft der Natur, die nach der dunkelsten Nacht wiederkehrt. In den nördlichen Regionen Europas hielten die Menschen die Rauhnächte – die zwölf Nächte rund um die Wintersonnenwende – für besonders magisch. Sie dienten der Ahnenverehrung, Schutzritualen und der Vorbereitung auf das neue Jahr. Jede Nacht war wie ein Schleier zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Geister, ein Moment, in dem Wünsche, Orakel und Rituale besonders wirksam waren.
Der rote Faden all dieser Feste: die dunkelste Nacht überstehen, um das wiedergeborene Licht (Sonne) willkommen zu heissen. Feuer, Kerzen, Geschenke, Gemeinschaft – alles Symbole für Hoffnung, Neubeginn und Lebensfreude. Schon damals ging es darum, den harten Winter zu überstehen, die Naturkräfte zu ehren und die Rückkehr des Lichts zu feiern. Dieses uralte Ritual lebt bis heute weiter – oft versteckt unter Tannenzweigen, Kerzenschein und der festlichen Magie, die wir Weihnachten nennen.
All diese Feste drehen sich um dasselbe Thema: das Licht zu feiern, wenn die Nächte am längsten sind. Kein Wunder also, dass die frühen Christen genau diesen Zeitpunkt für die Geburt ihres eigenen ‚Lichtbringers‘ wählten – auch wenn die historische Geburt Jesu wahrscheinlich woanders im Jahr stattfand.
Warum Jesus höchst wahrscheinlich nicht im Dezember geboren wurde
Tatsächlich sprechen Historiker:innen und Bibelwissenschaftler:innen dafür, dass die Geburt Jesu nicht im Winter stattfand. Mehrere Hinweise aus den Schriften und dem historischen Kontext deuten darauf hin, dass Frühling oder Herbst deutlich wahrscheinlicher sind.
Die Hirten waren laut Bibel nachts auf dem Feld – im Winter hätten sie ihre Herden nicht draussen gelassen.
Steuererhebungen, wie sie in der Geschichte erwähnt werden, fanden eher im Frühling oder Herbst statt, nicht mitten im Winter.
Das Datum 25. Dezember taucht in den Schriften überhaupt nicht auf; es wurde später festgelegt.
Wie ie Kirche bewusst ein bestehendes Fest „überlagert“ hat
Warum also genau der 25. Dezember? Die Antwort liegt weniger in historischen Fakten, sondern mehr in strategischen Entscheidungen der frühen Kirche – und in einem langen Prozess, der die heidnischen Feste der Menschen mit dem neuen Glauben verband.
Dazu müssen wir uns bewusst sein, dass die Christianisierung der Römer und schlussendlich Europas ein langer Prozess war und auf mehreren Ebenen ablief. Zunächst verbreiteten Apostel:innen und frühe Kirchenführer:innen den Glauben in den Städten, oft heimlich und trotz Verfolgung. Erst unter Kaiser Konstantin (4. Jahrhundert) wurde das Christentum offiziell erlaubt und gefördert – ein entscheidender Wendepunkt. Später, unter Theodosius I., wurde es sogar zur Staatsreligion.
Um die Menschen im Römischen Reich, die noch ihren polytheistischen Traditionen folgten, leichter an die neue Religion heranzuführen, legten Kirchenführer die Geburt Jesu bewusst auf den 25. Dezember – genau in die Zeit der seit Jahrhunderten gefeierten Sonnenwendfeste.
Dieser Prozess nennt sich übrigens Synkretismus: alte Rituale werden in neue religiöse Formen eingearbeitet. So konnten Menschen ihre vertrauten Bräuche beibehalten, während gleichzeitig die christliche Botschaft vermittelt wurde.
Warum nicht einfach jeder seiner Religion frei wählen und leben durfte? Ich bin froh, dass du fragst! Die Antwort ist: Damals war Religion nicht nur persönlicher Glaube, sondern ein zentraler Teil von Macht, Ordnung und Identität. Wer den ‚richtigen‘ Glauben nicht praktizierte, galt schnell als illoyal – nicht nur spirituell, sondern auch politisch.
Das Christentum als Staatsreligion diente also nicht nur der Mission, sondern auch der gesellschaftlichen Kontrolle. Alte Bräuche wurden deshalb clever überlagert: nicht brutal verboten, sondern in den neuen Glauben integriert. So konnte das Licht alter Traditionen überleben – nur in einer neuen, christlichen Verpackung.“
Und so haben diverse Weihnachtssymbole und - traditionen bis heute heidnische Wurzeln:
Tannenbaum → Symbol des ewigen Lebens, Fruchtbarkeits- und Schutzsymbol der Germanen und Nordvölker
Mistel → Ritualpflanze der Druiden
Kerzen → symbolisches Sonnenwendfeuer
Adventskranz → Symbol für Licht, Leben und der Kreis als Kreislauf von Werden und Vergehen
Geschenke → Echo der römischen Saturnalia
Rauhnächte → magische Winterrituale der Nordvölker
St. Nikolaus und Weihnachtsmann → Symbol der guten Gesiter (Geist der Geweihten Nächte, der Segen ins Haus und in die Familie bringt)
Weihnachten ist damit kein „reines“ christliches Fest, sondern ein kultureller Hybrid: Ein uraltes Fest der Rückkehr des Lichts, das über Jahrhunderte geschichtet, angepasst und in die moderne Welt getragen wurde.
💡 Urban-Mystic-Note: Man könnte auch sagen, die Kirche hat dem Fest eine neue Maske aufgesetzt – und dennoch überlebt die uralte Magie des Lichts, der Gemeinschaft und des Neubeginns. Genau diese Essenz macht Weihnachten heute noch so besonders.
Danke, dass ihr mit uns die Rückkehr des Lichtes feiert
Und genau darum liebe ich Weihnachten: Es ist ein Fest der Licht-Rückkehr, das uns über Jahrhunderte hinweg begleitet – egal, welche Maske es trägt. Unter Kerzen, Tannenduft und Geschenken steckt eine uralte Magie: Hoffnung, Neubeginn und die Freude am Leben.
Für mich ist es ein kleines Wunder, dass diese Traditionen trotz allem überlebt haben. Sie erinnern uns daran, dass Licht immer wiederkehrt, dass Gemeinschaft stark macht und dass wir immer wieder neu beginnen können. Weihnachten ist mehr als eine Religion. Es ist ein uraltes Ritual, das uns verbindet: mit der Natur, mit der Geschichte und miteinander. Und genau das macht es für mich und tausende Andere auch heute noch so besonders.
In diesem Sinne, liebe Christ:innen, seid herzlich willkommen in unserem heidnischen Fest. Lasst uns gemeinsam die Rückkehr des Lichtes feiern – und vielleicht ein kleines bisschen von der Magie spüren, die schon unsere Vorfahren begeisterte.




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