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Kopf & Besenstiele: Was passiert, wenn ein Psychologie-Nerd Hexerei praktiziert?

Tagsüber arbeite ich mit Psychologie. Beratungpsychologie, um genau zu sein — verwurzelt in Wissenschaft, Theorie und ethischen Richtlinien. Nachts (oder besser gesagt, im Mondschein) ziehe ich Tarotkarten, rühre Intentionen in meinen Tee und wirke leise Zauber, die sich anfühlen wie kleine Gedichte an das Universum. Und nein, das ist kein Widerspruch.


Aber bevor wir weiter eintauchen, möchte ich eines ganz klarstellen: In meiner professionellen Arbeit als psychologische Beraterin und Expertin für mentale Gesundheit bleiben diese beiden Welten strikt getrennt — so wie es sein sollte. Genau wie ein Psychotherapeut Christ, Buddhist oder Nihilist sein kann, ohne persönliche Glaubensüberzeugungen in die Therapie einfliessen zu lassen, behandle ich niemanden mit Hexerei. Meine Klient:innen verdienen evidenzbasierte, respektvolle und ethisch einwandfreie Unterstützung — genau das bekommen sie. Punkt.


Aber in meinem Privatleben? Da brodelt der Kessel.


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Wo Wissenschaft endet und Geist beginnt (Oder vielleicht doch nicht?)

Ehrlich gesagt wollte ich Psychologie und Hexerei nie vermischen. Sie kamen auf unterschiedlichen Frequenzen in mein Leben: die eine durch formale Ausbildung, Lehrbücher, Supervision und tiefgehende intellektuelle Arbeit; die andere durch Intuition, Rituale und das Flüstern meiner Ahnen, das ich nicht ignorieren konnte. Schon als Kind begann ich jedoch, die leisen Überschneidungen zu bemerken. Eine in der Therapie gelehrte Achtsamkeitspraxis — und ein Erdungszauber, den ich vor Jahren gelernt hatte. Eine Klient:in, die von Grenzen kämpft — und meine eigene Erfahrung, einen Schutzkreis zu ziehen, um emotionalen Raum zu halten. Professionell habe ich die beiden Welten nie vermischt, aber in meiner eigenen Heilungsarbeit waren die Grenzen nie starr.


Für mich war Hexerei immer ein Weg, das zu ritualisieren, was ich intellektuell verstand. Psychologie gab Sprache für Dinge, die ich als Energiearbeiterin immer gefühlt hatte. Gemeinsam schufen sie einen reicheren Wortschatz für Selbstwahrnehmung.


Ein Zauber ist eine Metapher ist eine Technik

Lass uns über Überschneidungen sprechen. Nicht über Verwirrung. Nicht über Widersprüche. Nicht im „Wir werfen einfach alles zusammen“-Stil.Eher wie Echoeffekte — so, wie zwei verschiedene Lieder im perfekten Moment denselben Ton treffen. Eine Art, sowohl Wissenschaft als auch Symbolik zu ehren. Denn manchmal ist ein Ritual eben nicht „nur Esoterik“. Es ist Poesie in psychologischer Form.


Zum Beispiel: Wenn ich mich überwältigt fühle, schreibe ich meine Ängste auf und verbrenne das Papier. Ja, ich setze es buchstäblich in Brand — sicher, bewusst, zeremoniell.Hexisch? Ja.Aus klinischer Sicht ist das Externalisierung, ein Konzept aus der Narrativen Therapie (White & Epston, 1990). Indem du deine Gedanken ausserhalb deines Körpers platzierst, reduzierst du ihre emotionale Ladung. Das Verbrennen ist ein symbolischer Abschluss — eine Form von verkörperter Kognition, die dem Gehirn hilft, ein Gefühl von Abschluss zu erzeugen, auch wenn das Problem selbst noch besteht.


Bei Neumond schreibe ich oft über Fragen wie: „Was bin ich bereit hereinzulassen?“ und „Was ist gerade wirklich wichtig?“ Das ist einfache Selbstreflexion und spiegelt die Werteklärung wider — ein Kernbestandteil der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) von Steven C. Hayes. ACT hilft Menschen dabei, sich auf persönliche Werte zu fokussieren und Entscheidungen zu treffen, die nicht von Angst oder Vermeidung geprägt sind. Anders gesagt: Intentionen setzen ist nicht nur mystisch — es ist Motivationspsychologie in Aktion.


Schattenarbeit — dieser schöne, chaotische Tauchgang in die verdrängten Anteile unserer Selbst — ist nicht nur hexische Selbstbefragung. Psychologisch entspricht sie der Arbeit mit inneren Anteilen (wie im Internal Family Systems Modell von Richard C. Schwartz) oder der Schematherapie (Young et al.). Beide Ansätze zielen darauf ab, innere Rollen und Glaubenssysteme zu identifizieren, die einst schützend waren, uns heute aber nicht mehr dienen. Carl Jung nannte das die Integration des „Schattens“, und die moderne Neurowissenschaft bestätigt: Wenn wir uns vermiedenen Emotionen oder fragmentierten Identitäten bewusst zuwenden, vermindert das ihren unbewussten Einfluss auf unser Verhalten (Siegel, 2007).


In schamanischen Traditionen gibt es die Praxis der Seelenrückholung — eine geführte Reise, um verlorene oder zersplitterte Seelenteile zurückzugewinnen, die durch Trauma oder überwältigende Erfahrungen abgespalten wurden. Der Schamane „reist“ zu diesen verlorenen Stücken und bringt sie zurück, um Ganzheit und Heilung zu ermöglichen. Das ähnelt sehr der Schattenarbeit, der Integration von Anteilen und der Traumatherapie in der Psychologie. Beide Ansätze erkennen an, dass Trauma das Selbst fragmentieren kann, und dass Heilung sanfte, bewusste Rückholung und Reintegration dieser verlorenen oder abgespaltenen Anteile erfordert.Die Neurowissenschaft unterstützt das ebenfalls: Reintegration fördert die Regulation von Emotionen und die Kohärenz neuronaler Netzwerke (Siegel, 2007).Ob du also auf einer schamanischen Reise bist oder in der Therapie mit deinem Schatten arbeitest — die Grundarbeit ist dieselbe: die Teile von dir zurückholen und ehren, die dich ganz machen.


Schamanische Techniken allgemein — wie Reisen, Visualisierung oder das Treffen mit symbolischen Führern — überschneiden sich mit geleiteter Imagination, Hypnotherapie und aktiver Imagination in der westlichen Psychologie, die alle empirisch belegte Methoden zur emotionalen Verarbeitung, Traumaarbeit und Regulation des Nervensystems sind.


Und das Umdeuten? Im Zauber wirkt es wie das Neuschreiben einer Geschichte, in der neue Wahrheiten in die Welt gesprochen werden. In der kognitiven Verhaltenstherapie (CBT) heißt das kognitive Umstrukturierung — die Veränderung der Interpretation eines Ereignisses, um seine emotionale Wirkung zu verändern (Beck, 1976). Das ist kein Zauber — das ist die Neurowissenschaft, wie Gedanken Gefühle und Verhalten formen.


Das sind keine Widersprüche — das sind sich ergänzende Ebenen. Wenn ich mit beiden Brillen arbeite, verzichte ich nicht auf Logik zugunsten von Räucherwerk. Ich kombiniere zwei Erkenntniswege: das Messbare und das Bedeutungsvolle. Den Zauber und die Studie. Das Ritual und die Forschung.


Und ehrlich? Genau da fühle ich mich zuhause — wo Komplexität willkommen ist und Heilung sich nicht entscheiden muss.


Beide Welten leben und lieben

Ich weiss, manche Menschen werden die Stirn runzeln.Einige denken, Hexerei entwertet die Wissenschaft.Andere meinen, Psychologie entzaubert die Seele.Ich glaube, solche Menschen sind in binärem Denken gefangen.


Aber wir sind komplexe Wesen — warum sollte unsere Heilung das nicht auch sein?Ich verlange von niemandem, das zu glauben, was ich glaube.Ich sage nicht, dass alle ihre Kristalle aufladen oder Carl Jung bei Kerzenschein lesen sollten.


Was ich sage, ist Folgendes:Meine persönliche Heilung ist am kraftvollsten, wenn ich all meine Weisheiten sprechen lasse — die empirische und die intuitive, die erlernte und die geerbte.

Und ist das nicht genau das, worum es in moderner Mystik geht?Deine Wahrheit leben.Dich ganz besitzen.Ja sagen zu Nuancen, zu Widersprüchen, zu Komplexität.


Zum Schluss (und ein Hinweis zur Ethik)

Nur um es noch einmal zu betonen:Nichts von dem, was ich privat praktiziere, fliesst ohne explizite Anfrage, Zustimmung und Relevanz in meine professionelle Arbeit ein.Psychische Gesundheitsbegleitung muss immer sicher, inklusiv und evidenzbasiert sein.


Aber hier, in dieser Ecke des Internets — auf meinem Blogazine The Urban Witch — erlaube ich mir, die Zwischenräume zu teilen.Die heiligen Überschneidungen.Die Rituale, die sich wie Zuhause anfühlen.

Nein, ich glaube nicht, dass es ein Widerspruch ist, psychologische Beraterin und Hexe zu sein.Ich glaube, es ist Alchemie.


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Referenzen


  • Beck, A. T. (1976). Cognitive Therapy and the Emotional Disorders. International Universities Press.

  • Hayes, S. C., Strosahl, K., & Wilson, K. G. (2012). Acceptance and Commitment Therapy: The Process and Practice of Mindful Change. Guilford Press.

  • Jung, C. G. (1959). Aion: Researches into the Phenomenology of the Self. Princeton University Press.

  • Schwartz, R. C. (1995). Internal Family Systems Therapy. Guilford Press.

  • Siegel, D. J. (2007). The Mindful Brain: Reflection and Attunement in the Cultivation of Well-Being. W. W. Norton & Company.

  • White, M., & Epston, D. (1990). Narrative Means to Therapeutic Ends. W. W. Norton & Company.

  • Young, J. E., Klosko, J. S., & Weishaar, M. E. (2003). Schema Therapy: A Practitioner's Guide. Guilford Press.

Kommentare


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Hallo, danke fürs Vorbeischauen!

Ich bin Nicole – urban aus Überzeugung, mystisch von Natur aus. Ich liebe schwarze Katzen, guten Chai oder Matcha und Gespräche, die spät am Abend anfangen und mit plötzlichen Erleuchtungen enden. Irgendwo zwischen Excel-Tabellen und Zauberkarten habe ich meine Berufung gefunden: Menschen zu helfen, das Chaos, die Magie und selbst die Montage zu verstehen.

Dies hier ist mein Kessel – ein Ort, an dem modernes Leben auf moderne Mystik trifft, gewürzt mit Neugier, einer Prise Rebellion und einer ordentlichen Portion Herz. Mach es dir gemütlich, gönn dir etwas Warmes zu trinken, und lass uns gemeinsam entdecken, welche Magie sich in unserem Alltag versteckt.

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