Die Heilige Sie: Wie die Kirche das Göttlich-Weibliche zum Schweigen brachte
- Nicole

- 14. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Juni
Es gibt eine stille, wachsende Unruhe – ein Ahnenruf, der in den Knochen von Frauen und Verbündeten widerhallt, die sich erinnern. Nicht durch Schulbücher oder Predigten, sondern durch Intuition, Körperweisheit und die Geschichten, die zwischen den Generationen geflüstert werden. Es gab eine Zeit, da war das Göttliche nicht nur männlich. Es war auch weiblich – wild, zyklisch, lebensspendend und zutiefst heilig. Vielleicht sogar jenseits von Geschlecht. Sie war keine Bedrohung. Sie war das Ganze.
Doch etwas änderte sich. Sie wurde umgeschrieben.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die systematische Auslöschung und Dämonisierung des heiligen Weiblichen in institutionalisierten, monotheistischen Religionen – insbesondere, wie sie sich unter der christlichen Lehre entwickelte. Dies ist keine Verurteilung des persönlichen christlichen Glaubens, noch des Glaubens an sich. Viele christliche Werte wie Mitgefühl, Gerechtigkeit und Liebe sind in spirituellen Traditionen verankert und verdienen Respekt. Vielmehr ist es eine Kritik an den patriarchalen Strukturen und Dogmen, die religiöse Institutionen geformt haben – oft auf Kosten der weiblichen spirituellen Macht. Werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie mächtige Göttinnen zu heiligen Gefangenen oder dämonisierten Gestalten wurden – und was das für die heutige Wiederaneignung des weiblich Göttlichen bedeutet.

Von verehrt zu verteufelt
Lange bevor „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ das spirituelle Narrativ dominierten, war das Göttliche oft weiblich, wild und geheimnisvoll. Von Inanna und Isis bis Brigid und Artemis herrschten Göttinnen über Geburt, Sexualität, Weisheit und die Natur. Doch als das Christentum sich – besonders unter dem Römischen Reich – verbreitete, geschah dies nicht durch friedliche Überzeugung, sondern durch Assimilation und Auslöschung.
Die Kirche übernahm weibliche Gottheiten, wo sie konnte – doch sie wurden ihrer Macht beraubt und verleumdet. Das heilige Weibliche musste entweder sterilisiert und gezähmt werden (hallo, Jungfrau Maria) oder als gefährlich gelten (Eva, Lilith und jede sogenannte Hexe am Scheiterhaufen).
Die misogynen Umbauten der Spiritualität
Sagen wir es offen: Die christliche Theologie hatte lange ein Problem mit Frauen. Der Gründungsmythos lehrt, dass eine Frau (Eva) den Sündenfall verursachte, und der einzige Weg zur Erlösung besteht in Gehorsam, Jungfräulichkeit oder Mutterschaft – nie in Macht.
Kirchenväter wie Tertullian, Augustinus und Thomas von Aquin machten es deutlich:
Tertullian nannte Frauen das „Tor des Teufels“.
Augustinus lehrte, weibliche Sexualität sei die Wurzel der Erbsünde.
Thomas von Aquin behauptete, Frauen seien „missratene Männer“.
Kein Wunder, dass Frauen vom Priesteramt ausgeschlossen, aus Entscheidungsprozessen herausgehalten und darauf konditioniert wurden, zu einem männlichen Gott, männlichen Priestern und einem männlichen Erlöser aufzuschauen.
Zwischen Glauben und Institution: Eine omnistische Perspektive
Mit einer omnistischen Weltsicht habe ich grundsätzlich kein Problem mit dem christlichen Glauben. Im Gegenteil – viele seiner Werte, wie Nächstenliebe oder die Zehn Gebote, erscheinen mir als gesunder Menschenverstand, der in vielen spirituellen Pfaden zu finden ist. Ich genieße den philosophischen Austausch über Glaubenssysteme und sehe Schönheit in vielen Aspekten des Christentums.
Problematisch wird es, wenn Spiritualität zu starren Institutionen wird. Die dogmatische Struktur der christlichen Kirche – insbesondere der römisch-katholischen – hat es versäumt, mit der Zeit zu gehen. Dieses Versäumnis zeigt sich deutlich in der fortwährenden Ungleichbehandlung von Frauen. Bis heute dürfen Frauen keine Priesterinnen werden, keine Päpstin sein, und bleiben symbolisch mit Sünde verknüpft, während sie von spiritueller Führungsrolle ausgeschlossen werden. Das ist kein Fehler des Glaubens – es ist der Fehler einer Institution, die an patriarchalen Wurzeln festhält. Und das verlangt nach ehrlicher, respektvoller Kritik – nicht um den Glauben zu zerstören, sondern um Raum für Gerechtigkeit und Wachstum zurückzuerobern. Diese Kritik richtet sich nicht gegen einzelne Gläubige. Sie richtet sich gegen Systeme, die das Göttliche auf das Männliche beschränken und Frauen zu passiven Empfängerinnen von Gnade machen, anstatt sie als Mit-Schöpferinnen heiliger Wahrheit anzuerkennen.
Von Göttin zur Heiligen (aber nicht als Gleichgestellte)
Eine der Strategien der Kirche war klug: Beliebte Göttinnen wurden zu Heiligen gemacht. Eine Möglichkeit, Kontrolle über die Gläubigen zu behalten, während die weibliche Macht ausgehöhlt wurde.
Brigid, die irische Göttin des Feuers, der Poesie und der Fruchtbarkeit, wurde zu St. Brigid, einer frommen Nonne mit Wundern – aber ohne Magie.
Isis, die ägyptische Göttin der Magie und Mutterschaft, lieferte ihre Bildsprache der Jungfrau Maria, jetzt demütig und gehorsam.
Diana/Artemis, Beschützerin der Frauen und der Wildnis, wurde als heidnische Verführerin verunglimpft oder in Märchen begraben.
Diese Figuren wurden nicht erhoben. Sie wurden domestiziert.
Die Dämonisierung des Göttlich-Weiblichen
Was nicht zur Heiligen gemacht werden konnte, wurde zum Dämon erklärt. Göttinnen, die mit Sexualität, Souveränität oder Magie assoziiert wurden, galten plötzlich als böse:
Lilith, einst ein Symbol für Autonomie und erotische Kraft, wurde zum kindermordenden Dämon.
Hekate, Hüterin von Übergängen und Geistern, wurde zur Hexenkönigin.
Aschera, die kanaanitische Muttergöttin, einst neben Jahwe verehrt, wurde aus der Schrift gestrichen – außer als Abscheulichkeit.
Das war kein Zufall. Es war eine kosmische Imagekampagne, die weibliche spirituelle Macht in etwas Furchterregendes und Strafbares verwandelte.
Die Hexe als letzte Göttin
Während der Inquisition und der Hexenverfolgungen wurden Frauen mit altem Wissen – Hebammen, Kräuterkundige, Seherinnen – verfolgt. Diese Frauen waren lebendige Echos der Göttin. Und die Kirche wusste das. Sie zu verbrennen war nicht nur Strafe – es war Symbolik. Ein letzter Versuch, unsere Verbindung zum weiblich Göttlichen zu kappen.
Die Rückeroberung
Heute, Jahrhunderte später, erhebt sich die Göttin erneut. Nicht als nostalgische Figur – sondern als lebendiger Archetyp von Ganzheit. Ein Ruf, unsere intuitive Weisheit, zyklische Natur und heilige Selbstermächtigung zurückzufordern.
The Urban Mystic steht an dieser Kreuzung – wo Kerzenwachs auf Kalender trifft, wo heiliger Zorn auf ehrfürchtige Gnade trifft.Wir erinnern uns nicht nur an die Göttin. Wir öffnen ihr wieder die Tür und lassen ihre Gegenwart herein. Denn wir sind nicht von Natur aus sündig. Wir sind keine geborenen Verführerinnen. Wir sind Töchter des Göttlichen – und es ist Zeit, unsere Namen zurückzuholen.
Quellen und weiterführende Literatur:
Eller, Cynthia. The Myth of Matriarchal Prehistory. Beacon Press, 2000.
Ruether, Rosemary Radford. Gaia & God: An Ecofeminist Theology of Earth Healing. HarperOne, 1992.
Christ, Carol P. Rebirth of the Goddess: Finding Meaning in Feminist Spirituality. Routledge, 1997.
Stone, Merlin. When God Was a Woman. Harcourt, 1976.
Pagels, Elaine. The Gnostic Gospels. Random House, 1979.
Spretnak, Charlene. Lost Goddesses of Early Greece. Beacon Press, 1978.
Budge, E.A. Wallis. The Gods of the Egyptians. Dover Publications, 1969.
Genesis 3 (Eva), Jesaja 14 (Luzifer), Deuteronomium 16,21 (Aschera-Pfähle).
Malleus Maleficarum (1487), Heinrich Kramer.









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