Lughnasadh zum Vollmond – Die Erntezeit im urbanen Stil feiern
- Nicole

- 31. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Aug.
Ich bin naturverbunden aufgewachsen – in einer kleinen Stadt am Waldrand. Ich habe wilde Kräuter gesammelt, Beeren direkt vom Strauch genascht und den Rhythmus der Jahreszeiten nicht im Kalender, sondern im Körper gespürt. Heute sieht mein Leben anders aus: In meiner Altstadtwohnung ist das Einzige, was einer Sichel noch ähnelt, meine kleine Kräuterschere, mit der ich Basilikum für meine Spaghetti schneide. Und trotzdem – jedes Jahr, wenn der achte Vollmond naht, passiert etwas. In der warmen Sommerluft. In meinen Knochen. Im goldenen Schimmer auf dem Kopfsteinpflaster. Dann weiss ich: Es ist Lughnasadh.

Aber, was ist Lughnasadh überhaupt?
Traditionell ist Lammas oder Lughnasadh (auch Lughnasa oder Lugnasadh geschrieben) das erste der drei neuheidnischen Erntedankfeste, gefolgt von Mabon (Herbst-Tagundnachtgleiche um den 23. September) und Samhain (zum 11. Neumond des Jahres). Benannt nach dem irischen Gott Lugh – Krieger, Dichter, Handwerker – zelebriert es Fülle, Dankbarkeit und die Kraft von Gemeinschaft.
Im alten Irland war Lughnasadh ein echtes Grossereignis: Stammeszusammenkünfte, Wettkämpfe, Rituale, Heiratsanbahnungen, Feste – nicht für den Algorithmus, sondern weil man es gemeinsam bis hierher geschafft hatte. Es ging nicht um fotogene Rituale. Es ging ums Überleben. Um Gemeinschaft. Um die Ehrung des Landes – und darum, sich auf die dunklere Jahreshälfte vorzubereiten. Lughnasadh erinnert uns auch an eine einfache, oft unbequeme Wahrheit: Damit das Leben weitergeht, muss etwas enden. So wie das Korn geschnitten werden muss, um andere zu nähren, müssen auch wir loslassen, was uns nicht mit in die nächste Saison begleiten kann. Wachstum erfordert Opfer – nicht als Strafe, sondern als Teil des Zyklus. Ob es eine Rolle ist, eine Gewohnheit oder ein überholter Glaubenssatz: Jetzt ist die Zeit, sich zu fragen: Was muss sterben, damit etwas Neues leben kann?
Und genau da wird es spannend. Denn ich lebe nicht im Irland der Eisenzeit. Ich lebe in einer Stadt, die nie wirklich zur Ruhe kommt – mit Miete, Meetings, Gruppenchats und einer To-do-Liste, die wie Efeu an einer alten Steinwand emporwächst. Ich musste also einen Weg finden, Lughnasadh in meinem heutigen Alltag zu verankern – ohne seinen Geist zu verlieren. Doch dazu gleich mehr, denn erst möchte ich mit dir teilen, warum für mich persönlich der Vollmond zu diesem Fest so wichtig geworden ist.
Warum ich es am 8. Vollmond feiere
Klassisch fällt Lughnasadh auf den 1. August. Für mich aber gehört es zum achten Vollmond des Jahres – weil es sich so viel stimmiger anfühlt. Vollmondzeit ist Erntezeit. Nicht nur für die Natur, sondern auch für unser Leben. Die Stadt riecht anders, warm und reif. Meine Energie ist aufgeladen und sanft zugleich. Da ist dieses Wissen: Das Jahr hat sich gedreht. Und wir sind auf dem Weg nach innen. Der Vollmond bringt eine intuitive Tiefe ins Spiel. Er erinnert daran, dass wir nicht nur Projekte und Ergebnisse ernten – sondern auch Wachstum, kleine Siege, innere Prozesse. Auch die stillen Ernten zählen. Vor allem die, die niemand sieht.
Was ich tatsächlich mache (Spoiler: Es ist kein Leinenmantel im Spiel)
Keine aufwendigen Rituale. Keine Weizenkränze (obwohl süss). Meistens ist mein Lughnasadh ein Flickenteppich aus Momenten, die sich einfach richtig anfühlen:
Vollmond-Kerze für deine Ernte
Zünde am achten Vollmond eine goldene oder bernsteinfarbene Kerze an. Flüster deine Ernten – Dinge, die du geschafft, gelernt oder geheilt hast. Stell dir vor, sie leuchten wie reife Früchte in deinem Leben. Lass die Kerze sicher brennen. Sie steht für Fülle und innere Stärke.
Ernte auf Balkonien
Zupf ein paar Blätter oder Blüten aus deinem Kräutertopf – oder sammle beim Abendspaziergang etwas Natur: Samenkapseln, kleine Äste, trockenes Gras. Leg sie auf deinen Altar oder deinen Nachttisch. Urban Magic, ganz ohne Hexenhut.
Kornmutter – deine persönliche Ernte in Gestalt
Die Tradition der Mais- oder Kornpuppen reicht weit zurück. In vielen alten Kulturen – besonders im keltischen und mitteleuropäischen Raum – wurde die Kornmutter aus den letzten Halmen der Ernte gefertigt. Sie symbolisierte den Geist des Feldes, das weibliche Urprinzip von Fruchtbarkeit, Fürsorge und Erneuerung. Die Figur wurde über den Winter aufgehoben, manchmal bis zur Aussaat im Frühjahr – als Schutzgeist für Haus, Hof und kommende Zyklen. Doch auch wenn du nicht auf einem Feld stehst, sondern zwischen Altbauwänden und Betonwegen lebst – der Archetyp wirkt weiter. In deiner Welt darf die Kornmutter Gestalt annehmen auf ganz eigene Weise:
Bastle dir eine kleine Puppe – aus Stoffresten, Papier, Trockenblumen, Paketschnur oder was du eben zur Hand hast. Sie muss nicht „schön“ sein. Sie darf roh, schief, persönlich wirken. Während du sie formst, verbinde dich bewusst mit deiner inneren Ernte:
Was habe ich in diesem Jahr genährt – in mir oder für andere?
Was darf ich nun loslassen oder in eine neue Form überführen?
Welche Version meiner selbst darf ich in diesen Spätsommer mitnehmen?
Diese Puppe wird zu deinem Talisman für den Übergang – eine urbane Kornmutter, die nicht auf Feldern wacht, sondern auf deinem Fensterbrett, deinem Altar oder in deinem Notizbuch ruht. Sie erinnert dich daran: Auch in einem Leben zwischen U-Bahn, To-do-Listen und Stadtlichtern gibt es einen Zyklus. Und du bist mittendrin. Werdend. Wandelnd. Voller Geschichten, die reif geworden sind.
Seasonal Soulfood mit Lieblingsmenschen
Iss etwas Saisonales – egal ob selbstgekocht oder bestellt. Brot, Beeren, Pfirsiche, Mais… Hauptsache: bewusst. Vielleicht teilst du die Mahlzeit mit Menschen, die dir guttun. Vielleicht feierst du auch einfach dich selbst.
Vollmond-Journaling
Nimm dir einen Moment. Schreib auf, was du in diesem Jahr „geerntet“ hast. Welche Samen hast du gesät, die jetzt Früchte tragen? Was darf mit in den Herbst – und was willst du getrost kompostieren?
Feuer- oder Lichtmeditation
Zünde eine Kerze an oder stell dir innerlich ein Feuer vor. Spür die Wärme in dir. Lass alles verbrennen, was dich blockiert. Mach dich bereit für das, was kommt – mit Klarheit und leuchtendem Herzen.
Dankbarkeitsspaziergang
Geh bei Vollmond oder abends durch deine Nachbarschaft. Spür den Rhythmus der Stadt. Atme die Spätsommerluft. Nimm ein kleines Naturfundstück mit – als Erinnerung, dass auch Beton blühen kann.
Es geht nicht um Perfektion. Es geht um Präsenz.
Die Ernte einer städtischen Hexe
Für mich geht es bei Lughnasadh nicht nur um die Ernte – es geht um inneren Reichtum . Das Projekt, das du endlich abgeschlossen hast. Die Grenzen, die du gesetzt hast. Die Beziehung, die du gepflegt hast. Die Wahrheit, die du laut ausgesprochen hast. Die Version deiner selbst, die nach Zeiten des Unbehagens erblühte. Man vergisst leicht, wie sehr wir gewachsen sind, wenn die Welt ständiges Tun verherrlicht. Dieser Sabbat sagt: Halte inne . Sammel dich. Feiere. Du bist nicht zurückgeblieben. Du blühst – vielleicht nicht in Instagram-Blüte, aber etwas noch Besseres: echt .
Fragen, die du dir an diesem Lughnasadh stellen solltest:
Was ernte ich gerade in meinem Leben?
Was habe ich geschaffen, gepflegt oder losgelassen, das Anerkennung verdient?
Wem oder was möchte ich danken?
Was möchte ich mit in die dunkle Jahreszeit nehmen – und was kann ich kompostieren?
Abschliessende Gedanken
Du musst nicht auf dem Land leben oder den Ritualen anderer folgen, um dich mit dem Jahreskreis zu verbinden. Das macht die Jahreskreisfeste so wertvoll, denn sie folgen keinem Dogma, sondern der aktuellen, effektiven Zeitqualität, die du da erleben kannst, wo du zu diesem Zeitpunkt gerade bist. So kann Lughnasadh im Gemeinschaftsgarten, auf dem Dach oder bei Veggie-Burgern bei deiner besten Freundin stattfinden. Wichtig ist, dass es sich lebendig anfühlt. Ehrlich. Deins. Also zünde die Kerze an. Schenk dir ein Getränk ein. Flüstere ein Dankeschön. Und lass dich vom Vollmond daran erinnern:
✨Du darfst dein Werden feiern – auch wenn du dieses Jahr nur deinen Verstand gewonnen hast.









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