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Oh honey, ich verehre keine Männer: Die Wahrheit über Hexen und den Teufel


Hexen verehren nicht den Teufel. Oder zumindest – die meisten von uns nicht. Neulich las ich die Antwort einer Hexenschwester auf genau diese alte Anschuldigung – und musste laut lachen. Jemand hatte sie gefragt, ob sie keine Angst davor habe, „Satan zu dienen“.


Ihre Antwort?


“Oh honey, ich verehre keine Männer.”

Mic drop.


Witzig, ja – aber auch zutiefst offenbahrend. Denn hinter diesem jahrhundertealten Mythos, dass Hexen dem Teufel dienen, steckt etwas weitaus Komplexeres als blosser Aberglaube. Es ist eine Geschichte von Angst, Kontrolle und Missverständnis – und sie hallt bis heute in vielen Kulturen nach, besonders dort, wo religiöse Traumata tief sitzen.


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Die Angst, die alles antreibt

Viele Menschen, die andere vor „Hexerei“ warnen, handeln nicht aus Bosheit. Sie sind oft wirklich verängstigt – erzogen in dem Glauben, dass irgendwo da draussen ein böses Wesen lauert, das Seelen ins ewige Höllenfeuer zieht. Innerhalb dieses Glaubenssystems fühlt sich „andere retten“ wie ein Akt der Liebe an. Doch genau darin liegt die Gefahr: Wenn Angst auf Macht trifft, entsteht leicht Verfolgung. Menschen mit anderen Überzeugungen, spirituellen Praktiken oder Weltbildern zu dämonisieren, hat eine lange, blutige Geschichte. Und die Hexe – besonders die unabhängige, intuitive, naturverbundene Frau – wurde schon vor jahrhunderten zum perfekten Sündenbock.


Die Wahrheit über Hexerei

Was dabei oft übersehen wird: Hexerei oder Hexenkusnt ist keine Religion. Es ist eine Praxis – ein Handwerk - eben eine Kunst. Man kann sie mit Religion verweben (wie 'dem Heidentum' oder einer der Wicca-Traditionen) oder völlig unabhängig davon ausüben. Es gibt sogar christliche Hexen, die Gebet und christlich geprägte Rituale in ihre Arbeit integrieren.


Und ja, einige wenige Praktizierende arbeiten mit christlichen Archetypen wie Satan – aber das ist die Ausnahme. Die meisten Hexen glauben gar nicht an Satan, denn er ist ein christliches Konstrukt. Man kann nichts verehren, das im eigenen Weltbild gar nicht existiert.


Hexerei bedeutet für jede:n etwas anderes – im Kern aber geht es um Energie, Intention, Verbundenheit mit der Natur, Zyklen und persönliche Selbstermächtigung. Es geht darum, die eigene Intuition und Handlungsfähigkeit zurückzuerobern – die eigene Verbindung zum Unsichtbaren, ohne Mittler:innen oder Institutionen, die vorschreiben, was heilig ist.


Macht, Kontrolle und das Narrativ des Bösen

Etwas als „böse“ zu bezeichnen, war schon immer ein effektiver Weg, um Kontrolle auszuüben. Die Angst vor dem Teufel wurde genutzt, um Verhalten zu regulieren – besonders die Autonomie, Sexualität und spirituelle Autorität von Frauen. Und genau darum geht es letztlich: nicht darum, wer wen anbetet, sondern darum, wer spirituelle Macht haben darf. Hexerei – in all ihren Formen – weigert sich, diese Macht abzugeben.Sie sagt: Du bist selbst deine Verbindung zum Göttlichen. Du kannst direkt mit Energie arbeiten. Du brauchst keine Erlaubnis, um zu heilen, zu schützen, zu manifestieren oder zu beten.


Für ein System, das auf Gehorsam aufgebaut ist, ist das eine beängstigende Vorstellung.


Wer ist dieser Teufel eigentlich?

Wenn Menschen heute an den Teufel denken, sehen sie fast alle das gleiche Bild vor sich: rote Haut, Ziegenhörner, Hufe, Schwanz, Dreizack – Herrscher einer feurigen Unterwelt, Seelensammler, Rockmusikliebhaber in Hollywoodfilmen. Ein so tief verankertes Bild, dass kaum jemand fragt: Woher kommt das eigentlich? Denn Spoiler: In der Bibel steht davon nichts. Gar nichts.


Dieser Teufel – der klischeehafte – ist ein Konstrukt. Ein Flickenteppich aus alten Göttern, sprachlichen Verwirrungen, politischer Angst und einer gehörigen Portion kirchlicher Kreativität. Das Thema „Teufel“ ist unglaublich komplex, denn was wir heute so nennen, war nie eine einzelne Figur. Es ist ein theologisches Mosaik – gebaut aus heidnischen Gottheiten, mythologischen Archetypen, Sprachwandel und Jahrhunderten religiöser Propaganda.


Die gehörnten Götter der Natur

Lange bevor jemand von Himmel oder Hölle sprach, verehrten unsere Vorfahren die Erde. Sie ehrten Götter der Wildnis – Wesen mit Fell, Horn und Huf, die Fruchtbarkeit, Lebenskraft und Naturverbundenheit verkörperten. Denk an Cernunnos, den keltischen Gott des Waldes und der Fülle, oder Pan, den griechischen Gott der Wildnis, dessen Ziegenbeine und schelmisches Grinsen Lust, Musik und Freude symbolisierten.


Diese Götter waren nicht böse – sie waren das Leben selbst in all seinen Facetten. Doch als das Christentum sich in Europa ausbreitete, musste es eine bereits gläubige Bevölkerung bekehren. Der einfachste Weg? Rebranding. Einige alte Götter wurden zu Heiligen erklärt, andere wurden dämonisiert. So wurden die Götter der Wälder – die sinnlichen, freien, naturbejahenden – zu „Teufeln“.Ihre Hörner wurden zu den Hörnern der Sünde. Ihre Freiheit zur „Versuchung“. Ihre Erdverbundenheit zur „Verderbnis“.


Der Teufel, so gesehen, wurde aus der Angst der Kirche vor dem Wilden und Ungezähmten geboren.


Der gefallene Engel

Dann kam Lucifer – sein Name bedeutet wörtlich „Lichtbringer“. Im frühen Latein bezeichnete „Lucifer“ den Morgenstern, also den Planeten Venus, und tauchte in der hebräischen Bibel als Metapher für den Sturz eines babylonischen Königs auf. Ursprünglich hatte das nichts mit Satan zu tun. Doch spätere christliche Theologen – besonders Hieronymus und Augustinus – deuteten diese poetische Stelle um: Aus einem gefallenen König wurde ein gefallener Engel. Und so wurde der Lichtbringer zum Unheilbringer.


Damit kam ein neues Element ins Spiel: Rebellion. Von nun an war das Böse nicht nur wild und sinnlich – es war auch trotzig. Unabhängig. Stolz. Klingt vertraut? Kein Wunder, dass dieses Archetyp Patriarchate erschütterte.


Hel, Hades und die Geburt der Hölle

Jede Schurkengeschichte braucht ihren Schauplatz – also: Woher kommt die Hölle?


Das Wort Hölle stammt vom altenglischen hel und dem urgermanischen haljō – was so viel bedeutet wie „der verborgene Ort“.In der nordischen Mythologie war Hel (mit einem „L“) eine Göttin – Herrscherin der Unterwelt, des ruhigen Ortes, an dem jene landeten, die nicht im Kampf starben.Sie war nicht böse, nur souverän über den Tod.


Als das Christentum germanische und griechisch-römische Mythen verschmolz, verband es Hel und Hades mit den apokalyptischen Feuerszenarien aus der Offenbarung. Das Ergebnis: ein Ort ewiger Strafe. Die Göttin verschwand. Aus der Unterwelt wurde die Hölle. Und in diesem neu gebrandeten Inferno fanden der gehörnte Gott der Wälder und der gefallene Engel ihr gemeinsames Zuhause – vereint zu einem kosmischen Bösewicht.


Das Gesicht der Angst

Zwischen dem 11. und 17. Jahrhundert bekam die Angst ein Gesicht. Künstler begannen, den Teufel mit Hörnern, Klauen, Flügeln und Schwanz zu zeichnen – inspiriert von alten Göttern wie Pan und Cernunnos.


Im 13. Jahrhundert war das Bild gefestigt:


  • Das Codex Gigas (um 1229), auch „Teufelsbibel“ genannt, zeigt eine der ersten ganzseitigen Darstellungen eines gehörnten Dämons.

  • Kirchenfresken in Frankreich, Deutschland und Italien malten schwarze und rote Teufel, die Sünder quälten – visuelle Predigten für Analphabet:innen.

  • Dann kam Dantes Inferno (frühes 14. Jahrhundert) – und der Teufel war endgültig ikonisch: ein geflügeltes, groteskes Monster, gefangen im Eis, kauend auf Verräter:innen.


Mit der Druckerpresse verbreitete sich dieses Bild rasant. Als 1486 der Hexenhammer erschien, war das visuelle Set komplett: Hörner, Feuer, Versuchung, Weiblichkeit als Gefahr.


Und die Hexe? Seine angebliche Dienerin. Angst war zur Kunstform geworden.


Der Teufel in der Popkultur

Von Boschs surrealen Höllenbildern bis zu modernen Filmen wandelte sich der Teufel – vom Monster zum charmanten Rebell in Rot. Im 19. Jahrhundert begannen Künstler, ihn zu vermenschlichen (dank Miltons Paradise Lost). Im 20. Jahrhundert tanzte er durch Jazzsongs und Hollywoodfilme – halb Bösewicht, halb Ikone, halb Symbol für Freiheit.


Was einst als Dämonisierung von Natur und Unabhängigkeit begann, wurde zu einem Archetyp von Rebellion und Selbstbestimmung.


Die eigentliche Offenbarung

Was sagt uns das alles? Das Bild des Teufels ist ein Spiegel – er zeigt, wovor eine Kultur am meisten Angst hat.


Für die mittelalterliche Kirche war es weibliche Macht, Sexualität und Wissen. Für spätere Gesellschaften: Ungehorsam, Vernunft, Lust. Und für manche bis heute: noch immer weibliche Macht. Wenn also jemand behauptet, „Hexen verehren den Teufel“, dann lächle einfach. Denn der Teufel, den sie fürchten, ist ein Remix – aus missverstandenen Göttern, alter Poesie und Jahrhunderten patriarchaler Kontrolle.


Und Hexen? Wir erinnern uns, woher diese Hörner wirklich stammen –und tragen diese Geschichte wie eine Krone und als Erinnerung daran, dass das Wilde, Sinnliche und Ungezähmte nie besiegt wurde.


Kommentare


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Hallo, danke fürs Vorbeischauen!

Ich bin Nicole – urban aus Überzeugung, mystisch von Natur aus. Ich liebe schwarze Katzen, guten Chai oder Matcha und Gespräche, die spät am Abend anfangen und mit plötzlichen Erleuchtungen enden. Irgendwo zwischen Excel-Tabellen und Zauberkarten habe ich meine Berufung gefunden: Menschen zu helfen, das Chaos, die Magie und selbst die Montage zu verstehen.

Dies hier ist mein Kessel – ein Ort, an dem modernes Leben auf moderne Mystik trifft, gewürzt mit Neugier, einer Prise Rebellion und einer ordentlichen Portion Herz. Mach es dir gemütlich, gönn dir etwas Warmes zu trinken, und lass uns gemeinsam entdecken, welche Magie sich in unserem Alltag versteckt.

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